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Monats-Archive: Januar 2012

Wo lag das Hennecke-Knechts-Land ?

 

extrahennecke1

Vor rund 200 Jahren wurde die Landschaft um Lauenstein scherzhafterweise auch „Hennecke-Knechts-Land“ genannt. Das berichtet D.E. Baring und schreibt ferner, dass auf den Strassen, bei Zusammenkünften, in den Häusern von gross und klein das Hennecke-Knecht-Lied gesungen wurde. Es gab auch Parodien, bei denen es hiess „To singen na der Wiese Hennecke-Knecht, was wult du dohn ?“. Sogar eine lateinische Übersetzung wurde von Baring in seinem Buch „Die Beschreibung der Saale“ aufgenommen.

Wer versteckt sich hinter Hennecke-Knecht ? Vermutlich ein Edler, ein Rittmeister und kein einfacher Landsknecht, der aus dem damaligen Amt Lauenstein stammte und als Reiter bei einem Regiment des Herzogs Georg Wilhelm von Celle dem Kaiser bei dem Kampf gegen die Türken gedient hatte. 1665 erschien unter dem Titel „Des Edelen Hennecke von Lauenstein“ ein Büchlein, in dem es heisst: „Ich bin zwar nichts mehr als ein Reuter, ich halte mich aber so gut als ein Edelmann.“ Als Geburtsort werden Lauenstein, Ockensen und Thüste genannt.

Hermann Löns hat in seiner so trefflichen Schilderung über das Saaletal folgendes aufgenommen: „Und dann ist hier dat ohle Leisken vom Hennecke Knecht entstanden, das Liedchen, das erzählt, wie Hennecke nicht mehr Knecht im Calenbergischen bleiben wollte, sondern nach Bremen ging, um ein Seefahrer und Krieger zu werden.“

Nebenstehend bringen wir alle Verse dieses Liedes und eine kurze Inhaltsangabe der 14 5-zeiligen Verse. Hennecke will nicht mehr bei einem Bauern als Knecht dienen, rüstet sich als Kriegsmann mit Schwert, Armbrust und Köcher aus, wandert nach Bremen und heuert bei einem Schiffer an. Aber als er auf die See kam, „Stund hey aß een vorjaget Ree / Neen Wort konde hey nich sprecken / Hey dachte hen, hey dachte her / Syn Harte woll öhme thou brecken.“

Hermann Löns fährt dann mit seiner Schilderung mit folgenden Sätzen fort : „Heute ist das alte gute Lied vergessen und die Jugend singt Berliner Gassenhauer und das Lied vom Pfannenflicker, das beinahe so saftig ist, wie die Landstrassen im Hennecke – Knechtsland nach einem gehörigen Gewitterschauer.“

(Fritz Klein,Dewezet)

Das Hennecke-Knechts-Lied

1.
Och Hennecke Knecht wat wultu dohn,
Wultu verdeinen dat ohle Lohn,
Over Sommer by meck bliven,
Ick geeve deck een paar nyer Scho,
Den Plaug kanstu wol dryven.

2.
Hennecke sprack een trötzig Wort,
Ick will neinen Buren deinen vort,
Solch Arweit wil ick haten,
Ick wil meck geven up dey See,
Deß hebb ick gröter baten.

3.
Dat Wieff sprack ock een hastig Wort,
Wo bist Du Kerll jou bedort,
Wilt Du een Schipmann werden,
Hacken und roen is din arth,
Unn plöugen in dey Erden.

4.
Hennecke word by sick sülven thou Rath,
Hey koffte vör syne Haversaed,
Een Armbost gut van pryse,
Kort Kleer leth hey seck schnien an,
Recht na der Krieger Wiese.

5.
Hey nam den Ambost up den Nack,
Den Köker an den Gördel stack,
Dat Schwert an syne Syden,
Darme ginck hey den wrick den wrack,
Na Bremen leth hey glyen.

6.
Aß Hennecke thou Bremen hinquam,
Ginck hey vör enen Schipper stahn,
Sprack Schipper leive Here,
Will gy meck vör een Schipknecht han,
Vör enen Röderere.

7.
Ick wol deck gerne nehmen an,
Kanstu vör enen Schipknecht bestahn,
Woll recht an Scheepes Boorde,
Ick hört an dynen Wörden wol,
Du bist een Buwr van Ardte.

8.
Hennecke schwor enen düren Eedt,
Nenen kaskern Kerl eck nich weet,
Tho allen donde unde Saken,
Ick bin in mynem Mode so fry,
Recht aß een wilder Drake.

9.
Do Henneckeknecht quam up dey See,
Stund hey aß een vorjaget Ree,
Neen Wort konde hey nich sprecken,
Hey dachte hen, hey dachte her,
Syn Harte woll öhme thou brecken.

10.
Hey lehnde sin Hövet an Scheepes Boort,
Enes Armes lang sprack hey een Wort,
Woll thou der sülven Stunde,
Wat meck myn Wyff vorherre sacht,
Deß kom ick nu thou funde.

11.
De Wind de weyd, de Han de kreyd,
Dat Wedder dat was gar unstede,
Dat Meer gar ungehüre,
Hed ick den Plaug in meiner Hand,
Dem wolde ick wol balle stüren.

12.
Yß hyr denn nu nemand bekandt,
Dey mick bringt in dat Sassen Land,
Woll twiscken Dyster und Laine
Woll thou des Edlen Försten sun Huß,
Dat Hueß thoum Lawensteine.

13.
Och iß hyr nuneemand bekandt,
De mick bringt int Bronswicker Landt,
Ick wilt öhme wol belohnen,
Ick wil öhme geven myn Haversatt,
Darthou een Scheppel mit Bonen.

14.
De ösck düt leyd erst hafft bedacht,
Hafft Hennecken van dey See bracht,
Dat öhne dey Lüse nich freten,
Sünnern hey warnet alle gude Gesellen,
Dat sey nich syn vormeten.

 

1.
„Hennecke Knecht, was willst du tun,
Willst du verdienen dein alten Lohn,
Über Sommer bei mir bleiben ?
Ich geb dir ein Paar neue Schuh,
Den Pflug kannst du wohl treiben.“

2.
Hennecke sprach ein trotzig Wort :
„Ich will keim Bauern dienen fort,
Solcher Arbeit will ich trutzen;
Ich will mich geben auf die See,
Des hab ich größern Nutzen.“

3.
Das Weib sprach auch ein hastig Wort:
„Wie bist du Kerl auch so betört,
Willst du ein Schiffmann werden!
Hacken, reuten ist dein Art
Und pflügen in der Erden.“

4.
Hennecke ward bei sich selbst zu Rat,
Er kauft für seinen Habersack
Ein Armbrust, gut von Preise,
Kurz´ Kleider läßt sich messen an,
Recht nach der Krieger Weise.

5.
Er nahm die Armbrust auf den Nack,
Den Köcher er im Gürtel stach,
Das Schwert an seine Seite,
So ging er dann mit Sack und Pack,
Nach Bremen tät er schreiten.

6.
Als Hennecke nach Bremen kam,
Tät er vor einen Schiffer stahn,
Sprach : „Schiffer, lieber Herre,
Wollt ihr mich wohl zum Schiffmann han,
Für einen Ruderere ?“

7.
„Ich will dich gerne nehmen an,
Kannst du als Schiffsknecht mir bestahn,
Wohl recht an Schiffes Borde,
Ich hör an deinen Worten wohl,
Du bist von Bauern Arte.“

8.
Hennecke schwor einen teuren Eid :
„Kein andrer Kerl ist weit und breit
Zu allem Tun und Sachen;
Ich bin in meinem Mut so frei
Recht als ein wilder Drachen.

9.
Da Hennecke Knecht kam auf die See,
Stand er als ein verzagtes Reh,
Kein Wort konnt er nicht sprechen,
Er dachte hin, er dachte her,
Sein Herz wollt ihm zerbrechen.

10.
Er lehnt sein Haupt an Schiffes Bord,
Ein Armes lang sprach er ein Wort
Wohl zu derselben Stunden :
„Was mir das Weib vorhergesagt,
das hab ich nun gefunden.“

11.
Der Wind, der weht, der Hahn, der kräht,
Das Wetter, das war gar unstet,
Das Meer ganz ungeheure :
„Hätt ich den Pflug in meiner Hand,
Dem wollt ich wohl bald steuern !

12.
Ist denn nun niemand hier bekannt,
Der mich bringt in das Sachsenland,
Wohl zwischen Deister und Leine,
Wohl zu des edlen Fürsten Haus,
Das Haus zum Lauensteine ?

13.
Ach, ist nun niemand hier bekannt,
Der mich bringt ins Braunschweiger Land ?
Ich will ihn wohl belohnen,
Ich will ihm geben mein Habersack,
Dazu ein Scheffel Bohnen.“

14.
Der uns das Liedchen hat erdacht,
Hat Henneken von der See gebracht,
Daß ihn die Läus nicht fressen;
Er warnt auch all Gesellen gut,
Daß ihr nicht seid vermessen.

Das Spiegelberger Grafengericht

Östlich vom heutigen Lauenstein liegen bei Spiegelberg drei kleinere Bodenerhebungen :

  • die St. Annen-Kapelle und der sie umgebende Friedhof
  • die ehem. Burg Spiegelberg, der heutige Hof Renner
  • der „Grafengerichtsplatz“ (einst „Schuttkuhle“ genannt)

Diese Hügel fanden bei den vorgeschichtlichen Menschen Beachtung, weil sich dort unterirdische Wasseradern kreuzen, damals ein Zeichen besonderer Heiligkeit. So konnten sich hier Kultplätze entwickeln.

Als Beweis : das hier gefundene kostbare, rund 5000 Jahre alte Jadeitbeil (Jüngere Steinzeit), ein Ritualbeil oder Statussymbol.

Kultstätten dienten auch als Begräbnisplätze. So konnten sechs bronzezeitliche Aschengräber auf dem Gelände der Kapelle nachgewiesen werden. Auf dem Grafengerichts-Hügel wurden sogar neun germanische Hügelgräber gefunden, von denen z.T. noch die grossen Deckplatten Zeugnis ablegen.

Eine alte Steinplatte vom Grafengericht, 2007

Eine alte Steinplatte vom Grafengerichtm (2007)

Das an einem Kult- und Begräbnisplatz – im Angesicht der Ahnen – auch Gericht gehalten wurde, war bereits für die vorgermanische Bevölkerung logisch.

Um 1200 bauten die Grafen von Spiegelberg auf der dritten Anhöhe (Hof Renner) eine Burg. Doch die Edelherren von Homburg verdrängten sie und bauten 1247 am Ith ihre Burg Lauenstein. Bald setzten unterhalb der Burg beurkundete Rechtshandlungen ein :

  • „apud Levensten“ (1295)
  • „in Spegelberge ante castrum Lewenstein“ (1298)

Also hat der alte Kult-, Begräbnis-, und Dingplatz weiterhin seine Funktion behalten, jetzt als Grafengerichtsplatz.

Gerichtsprotokolle sind bis 1592 überliefert. Grimm gibt in seinen „Weistümern“ die Gerichtsfragen des dortigen Godings wieder.

Bauschutt und Glasscherben verdecken die alten germanischen Grabstätten, 2007

Bauschutt und Glasscherben verdecken die alten germanischen Grabstätten (2007)

Dann bleibt der Platz unbenutzt und seine ehemalige Bedeutung verblasst in der Erinnerung. Rudorff ist um 1850 der Flurname „Richtestücke“ noch bekannt, und um 1900 wird diese Flur dann lediglich „Im Linke“ genannt.

Eine unglückliche Entwicklung setzt ein : Die Grabhügel werden als solche nicht mehr erkannt, der Gerichtsplatz mit steinernem Gerichtstisch auch nicht ! Die Unebenheiten auf dem Hügel werden mit Schutt (!) aufgefüllt und so das Niveau ausgeglichen. Alteingesessenen ist die kleine Anhöhe nur als Schuttkuhle ein Begriff.

Durch eine wahrhaft makabre Entwicklung ist dieser Stätte der Charakter eines Kultplatzes offensichtlich verlorengegangen.

Vom Kultplatz zur Schuttkuhle !

Soll das so hingenommen werden ?

(Text von Ulrich Baum)

Die Madonna vom Spiegelberg

Am Wege von Lauenstein nach Hemmendorf, wo sich einstmals die Burg der Grafen von Spiegelberg erhob, steht heute, umgeben von den Gräbern des Lauensteiner Friedhofs, die Spiegelberger Kapelle. Den ehemaligen Ort Spiegelberg gibt es längst nicht mehr. In den unruhigen Zeiten der Hildesheimer Stiftsfehde (1518-1521) verliessen die Bewohner ihre Häuser und siedelten sich auf dem Damm vor dem Flecken Lauenstein an. Dort fühlten sie sich im Schutze der Lauensteiner Burg sicherer.

Reich mit Schmuck behängt war die Spiegelberger Madonna. Das bäuerliche Kunstwerk hatte einst viele Wallfahrer angezogen. (Heute im Museum Coppenbrügge

Reich mit Schmuck behängt war die Spiegelberger MadonnaDas bäuerliche Kunstwerk hatte einst viele Wallfahrer angezogen.
(Heute im Museum Coppenbrügge)

Die kleine Spiegelberger Kapelle wird Sünt Annen genannt, weil sie vor Zeiten zu Ehren der heiligen Anna, der Mutter Marias, erbaut wurde. In diesem Gotteshaus sollen einst zahlreiche Wunder geschehen sein, wovon weit und breit erzählt wurde. Jahr für Jahr zogen unzählige Wallfahrer aus allen Gegenden Deutschlands zur wundertätigen Madonna auf dem Spiegelberge. Dies ist eine hölzerne Mutter-Gottes-Figur, die den Leichnam des Gekreuzigten auf ihrem Schosse trägt. Das schlichte knapp 30 cm hohe Standbild ist ein Beispiel geradezu das Heidnische streifender Bauernkunst.

Die Spiegelberger Kapelle, 2005

Die Spiegelberger Kapelle (2005)

Der Kopf dieser Marienfigur ist hohl und muss vor Zeiten mit einem vortrefflichen Balsam angefüllt gewesen sein, denn wenn man mit dem Finger in der Höhlung an dem Holz rieb, gab dieses auch später noch einen starken Geruch von sich.
Die Madonna war schön bekleidet, mit einer silbernen Krone geziert und mit Gaben ihrer Verehrer reichlich behängt. Im Laufe der Zeit nämlich war die Madonna vom Spiegelberge reich beschenkt worden. Drei vergoldete Silberkronen und etliche kleine Gold- und Silberkreuze, daneben silberne und goldene Kränze und Münzen zählten zu ihrem Schmuck, der insgesamt 83 Stück umfasste. Die Spiegelberger Hospitalfrauen verwahrten das Standbild, stellten es bei Ankunft von Pilgern in der Kapelle auf, nachdem sie es mit den Votivgaben ausgeziert hatten.
Vor allem zur Sommerzeit wallfahrteten viele Katholiken von hohem und niedriegem Stande dorthin. Sie kamen aus fernen Gegenden wie Münster und Paderborn; selbst der Fürst-Bischoff von Hildesheim besuchte auf seinen Reisen stets diesen Ort. Meistens liessen die Pilger ihre Fuhrwerke im Flecken Hemmendorf zurück und pilgerten von da aus mit entblössten Füssen die halbe Stunde Weges nach der Kapelle. Sie erhofften sich von einem andächtigen Gebet in Sünt Annen die verheissenen 100 Tage Ablass. Auch glaubten sie, durch das Gelübde einer Wallfahrt nach Spiegelberg, durch Geschenke für die Kapelle oder durch etliche Gebete in St. Annen unfehlbare Hilfe zu erlangen, und sei auch durch ein Wunder. Sogar eine deutsche Kaiserin, die Gemahlin Kaiser Karl VI., liess hier für sich beten und sandte nach der Geburt eines Prinzen aus Dankbarkeit 50 Dukaten. (Dem Kaiser Karl wurde tatsächlich ein Sohn geboren, der jedoch nach wenigen Monaten im Jahre 1716 starb.)

Es wurden früher in St. Annen viele Krücken aufbewahrt, die von geheilten Kranken stammten. Aber wohl kaum durch Gesundbeterei oder gar durch Wunder sind die Kranken genesen, sondern sie haben ihre Heilung dem Baden in einem Gesundbrunnen zu verdanken. Dieser lag dicht bei Spiegelberg in einer Senke auf dem Bruch und wurde der Süken-Diek oder Siechenteich genannt, aus dem später ein Fischteich wurde. In der nahegelegenen Kapelle haben die Leute dann Gott für die wiedererlangte Gesundheit gedankt und ihre Krücken dort abgelegt.
Für die Betreuung der Kranken soll auch das kleine Hospital neben St. Annen angelegt worden sein, das später ein Armenhaus wurde und von sechs alten Frauen aus Lauenstein und Marienau bewohnt war, denen die Betreuung der Kapelle oblag.
Auch noch lange nach der Reformation hielten die Wallfahrten an. Selbst einfache Protestanten kamen von nah und fern, um Geschenke dorthin zu bringen und von den Hospitalfrauen für sich beten zu lassen. Wundertätige Hilfe wurde der Madonna in Krankheitsfällen zugeschrieben und vornehmlich Frauen und werdende Mütter vertrauten sich ihr an. Ja, selbst für das Wohlergehen des Viehs liess man dort beten.
Als dann später der Aberglaube übel ausartete, katholische Messen insgesamt in der Kapelle gelesen wurden, ja sogar ein Hildesheimer Brautpaar sich dort heimlich trauen liess, wurde der Sache durch obrigkeitliche Verfügung ein Ende gemacht. Das Madonnenbild wurde nächtlicherweise nach Hannover gebracht, gelangte dort zunächst in das Reliquiengewölbe der Schlosskirche und später dann in das Landesmuseum. Hier in der Einsamkeit hat das Bild aufgehört Wunder zu wirken und mit ihm sind auch die Wallfahrten zur Spiegelberger Kapelle verschwunden. Die Spiegelberger Madonna befindet sich jetzt als Leihgabe im Museum Coppenbrügge.

Quelle: „Lauenstein – aus Sage und Geschichte“ von Ulrich Baum

"Wahre abbildung des gnaden Bilds der allerseligsten Mutter Gottes Maria in der Capell am spiegel Berg bey Lauenstein" (Heute in der Lauensteiner St. Benedikt Kirche

„Wahre abbildung des gnaden Bilds der allerseligsten Mutter Gottes Maria in der Capell am spiegel Berg bey Lauenstein“
(Heute in der Lauensteiner St. Benedikt Kirche

Es gab mindestens 3 verschiedene Madonnen :

Auhagener Madonna :
Um 1400 hergestellt für das Kloster Auhagen, 1565 nach Spiegelberg gebracht, vor 1648 nach Hildesheim gebracht, 1761 verbrannt.

Spiegelberger Madonna :
1648 hergestellt für Spiegelberg, 1773 nach Hannover gebracht, 1945 in Pattensen verschwunden, 1986 wiederaufgetaucht und ins Museum Coppenbrügge gebracht.

Hildesheimer Madonna :
1761 für Kapuzinerkirche Hildesheim hergestellt, 1962 nach Lauenstein gebracht.

1150
Die Spiegelberger Kapelle wird laut Baubefund in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut.

1310
Der Graf von Spiegelberg, jetzt Burgherr in Coppenbrügge, gründet in Auhagen / Marienau ein Karmeliterkloster.

1354
Um- oder Neubau der Spiegelberger Kapelle.

1400
Die ursprüngliche Madonna, von Hermann Engfer, dem Leiter des Hildesheimer Bistumsarchivs, als frühgotische Plastik bezeichnet, wird um 1400 hergestellt und wahrscheinlich im Kloster Auhagen aufgestellt.

1521
Die Siedlung Spiegelberg wird aufgegeben.

1543
Die Kirchenvisitation beschreibt die Kapelle als „desolat“.

1565
Das Kloster Auhagen wird aufgegeben. Dem Coppenbrügger Chronisten Vogell zufolge wird die Madonna nach Spiegelberg gebracht.

1588
Auch die 2. Kirchenvisistation beschreibt die Kapelle als „desolat“.

1594
Das Kloster Auhagen wird abgerissen.

1648
Pastor Weniger berichtet 1773, dass die Madonna seit dem Westfälischen Friedensschluss in diesem Jahr auf dem Altar in Spiegelberg gestanden hat. Diese ist wahrscheinlich eine derbbäuerliche Kopie der Auhagener Madonna, die wahrscheinlich zwischen 1565 und 1648 nach Hildesheim gebracht wurde.

1744
Der Chronist Baring bestätigt das Vorhandensein von Krücken in der Kapelle.

1761
Bei einem Brand in der Hildesheimer Kapuzinerkirche wird eine Madonna zerstört. Dies könnte die alte Madonna aus dem Auhagen Kloster gewesen sein. Nach dem Brand wird eine neue Figur angefertigt mit der Sockelinschrift „Wahre abbildung des gnaden Bilds der allerseligsten Mutter Gottes Maria in der Capell am spiegel Berg bey Lauenstein“.

1766
Der Amtmann Rautenberg berichtet der Hannoverschen Regierung über die Ausuferung des Aberglaubens in der Spiegelberger Kapelle.

1773
Auf Anordnung der Regierung wird die Spiegelberger Madonna von Lauensteiner Beamten heimlich in das Reliquiengewölbe der Hannoveraner Schlosskirche gebracht.

1886
Die Spiegelberger Madonna mitsamt den Votivgaben wird in den Bestand des Landesmuseums Hannover aufgenommen.

1945
Um die Madonna vor Bombardierungen und Bränden zu schützen, wird sie aus dem Landesmuseum ausgelagert, vermutlich nach Pattensen. In den Kriegswirren geht die Figur verloren.

1962
Die Madonna aus der Kapuzinerkirche wird restauriert und der neugegründeten katholischen Pfarrgemeinde in Lauenstein übergeben. Heute steht die Figur daher in der „St. Benedikt“ Kirche.

1985
Die verloren geglaubte Spiegelberger Madonna wird von Dr. Humburg im Magazin des Landesmuseums Hannover wieder gefunden während das Coppenbrügger Heimatmuseum eingerichtet wird (Gründung des Museumsvereins Coppenbrügge e.V. war am 9.3.1982).

1986
Die Madonna wird restauriert und als Dauerleihgabe an das Coppenbrügger Museum übergeben. Dort wird sie seitdem in einer Glasvitrine mitsamt Votivgaben ausgestellt. Pilger kommen heute nicht mehr.

Braunkohle bei Wallensen und Thüste

Im östlichen Teil des Kreises Hameln-Pyrmont, nahe der Grenze zu den Nachbarskreisen Alfeld und Holzminden im „Weenzerbruch“ südöstlich von Wallensen, lag der bedeutendste Braunkohlentageabbau im mittleren Niedersachsen. Weit abseits vom Helmstedter Braunkohlenrevier und den ostelbischen Vorkommen war hier Jungtertiär-Braunkohle abgelagert. Laut einer alten Aufzeichnung aus dem Jahr 1787 soll der Weenzer reitende Förster Rahn durch den Hufschlag seines Pferdes auf schwarzes Material gestoßen sein, das sich dann bei weiterer Prüfung als brennbares Material herausstellte – sprich Braunkohle. Auch erzählte man sich, dass durch das Pflanzen eines Baumes unmittelbar unter der Erdoberfläche Braunkohle festgestellt wurde.

Alte Postkarte von Wallensen

Alte Postkarte von Wallensen

Wie der Braunkohlenabbau danach in Gang gekommen ist, geht aus Unterlagen im Archiv des Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld hervor. Der Auffindungsbericht vom 15. September 1842 des Verwaltungsbeamten Quaet-Faslem des Amtes Lauenstein, ein Begutachtungsauftrag des Königlichen Oberforstamtes und das Gutachten vom 13. Juni 1843 des Bergbeamten Hartleben des Steinkohlen-Bergwerks Osterwald ist die erste Bestätigung eines Braunkohlevorkommens im „Weenzerbruch“. Auf die Gutachten hin wurden die Vorbereitungen für einen Braunkohlenbergbau begonnen, auch war die Braunkohle als Hausbrand besonders wichtig, da die umliegenden Wälder den Bedarf der Bevölkerung an Brennmaterial nicht decken konnte. Im Herbst 1843 wurde ein flachstreichendes Braunkohlelager in der Größe von ¼ ha Staatsforstfläche im Auftrag der Königlich – Hannoverschen – Bergwerksverwaltung freigegeben.

Die Arbeit und Verwaltung übernahm das staatliche Bergwerk Osterwald und die ersten Schürfe wurden von den Bergleuten Stichweh, Warnecke und Rießner ausgeführt. Abgebaut wurde die Braunkohle hauptsächlich im Tagebau, aber auch in einem Stollen und begann dort, wo sich heute der Ferienpark Humboldtsee befindet. Im Jahre 1846 waren 31 Arbeiter beschäftigt, es gelang jedoch nicht, das Förderprodukt bei den Verbrauchern der Gegend allgemein einzuführen. Die Haldenbestände häuften sich und es mußte aus Platzmangel die Hälfte zu Asche verbrannt werden. Die Verwaltung gab ca. ein Drittel der Kohle an Bedürftige gratis aus; diese verkauften aber leider die Kohle weiter. Trotz der Schwierigkeiten bemühen sich andere Unternehmen um Pachtung der Gruben, so 1855 der Fabrikant Nehse der Neustädter Eisenhütte und 1858 der Osnabrücker Ingenieur Gordian. Sie werden aber abgewiesen. 1843 bis 1858 hat die Verwaltung einen hohen Zuschuss leisten müssen, bedingt durch die Nässe der Kohle und ihren hohen unverkäuflichen Feinanteil. Wegen Absatzschwierigkeiten und Unrentabilität wurde der Betrieb im Jahre 1861 eingestellt.

Die Preußische Bergwerksverwaltung nahm 1871 den Abbau wieder auf und machte Pressversuche, die so günstig ausfielen, dass auch eine Brikettpresserei in Betrieb genommen wurde. Infolge der Konkurrenz der Sollinger Braunkohle und der westfälischen Steinkohle entwickelte sich der Absatz keineswegs befriedigend. Im Jahre 1897 begann man mit einem Tiefbaubetrieb, der aber auch wegen fehlender Absatzmöglichkeit bald wieder zum Erliegen kam. Die Braunkohlenlagerstätte wurde 1899 wieder neu aufgeschlossen und die Bergbaugesellschaft Wallensen gegründet. Nachdem mit den Grundbesitzern langfristige Kohlenabbauverträge abgeschlossen waren, konnte die industriemäßige Kohlenförderung beginnen. Damals begann man, weil das viele Grundwasser der darüber liegenden Wiesen nicht zu bewältigen war, den Abbau im Tiefbau. Die Bergbaugesellschaft wandelt sich 1901 um in die „Gewerkschaft Humboldt“ und errichtet 1902 zwischen den Orten Wallensen und Thüste eine Brikettfabrik, die Rohbaukohle zu Briketts weiterverarbeitet. Mit der Gründung der Gewerkschaft wurde Wallensen ein Bergarbeiterort, das hat wesentlich zu allgemeinen Wohlstand beigetragen. Für die damalige Zeit war das ein großer wirtschaftlicher Fortschritt.

Alte Postkarte mit Bergbaumotiv

Alte Postkarte mit Bergbaumotiv

Den Transport der frisch geförderten Kohle von der Grube zur Fabrik übernahm zunächst eine 1250 m lange Seilbahn, die aber später, 1955, direkt vom Flöz über ein Gleiswerk zur Brikettfabrik gelangte. Mit dem Abbau der Braunkohle im Tagebau wurde ab 1903 begonnen. 1905 wurden weitere Kohleabbauverträge mit der staatlichen Forstverwaltung geschlossen und „Gewerkschaft Humboldt“ übernahm Grubenflächen der Preußischen Bergwerksverwaltung, die im Bereich des Regierungsbezirks Hildesheim gelegen waren. Eine ständig steigende Gewinnung von Rohbraunkohle und deren Verarbeitung zu Briketts war die Folge.

In der Brikettfabrik werden von der angelieferten Kohle 30-40% zur Erzeugung von Dampf und elektrischem Strom selbst verbraucht, während für die Brikettherstellung die restlichen Anteile verbleiben. Die Humboldt-Briketts erhielten später das Markenzeichen der Gewerkschaft, das Wort „Sonne“. Es wurde in der eigenen Fabrik in Stempel eingefräst und auf die Briketts aufgebracht. Das Brikett ist zündwillig und zeichnet sich durch lange Brenndauer und milde Glut aus. Es war deshalb überall dort beliebt, wo, wie beim Hausbrand, diese Eigenschaften wertvoll sind. Da es verhältnismäßig aschearm war und fast frei von Schwefel, stellte es in manchen Industrien einen begehrten Brennstoff für Feuerungen und Gasgeneratoren dar. Der Löwenanteil der Erzeugnisse wurde per Bahn an ihre weltweiten Empfänger in den Handel gebracht, der Rest von Lastfahrzeugen. Auch kleine Fahrzeuge und Handwagen sah man mit Brikett beladen vorbeifahren, denn ein Teil der Arbeiter holte seine Deputatkohle (Teil seines Lohnes in Naturalien) selbst ab.

Brikettfabrik um 1900

Brikettfabrik um 1900

Die Gewerkschaft Humboldt gehörte zum Mitteldeutschen Braunkohlensyndikat Leipzig und der Absatz lief über den Helmstedter Braunkohlen Verkauf Hannover. Hauptsächlich gingen die Briketts nach Hannover, Schleswig-Holstein und auch nach Mecklenburg. Leider gab es auch zwei erschütternde Ereignisse auf dem Braunkohlenbrikettwerk Humboldt. Am 22. April 1929 gegen 16 Uhr explodierte ein Trockenofen. In einem Schneckengang war ein Brand ausgebrochen und bei den Löscharbeiten erfolgte plötzlich eine Explosion. Der Erdboden erzitterte, pflügende Gespanne gingen durch, richteten aber keinen Schaden an. Den zur Unfallstelle strömenden Menschen bot sich ein Bild wüster Zerstörung. Alle Fensterscheiben waren zertrümmert. Die Arbeiter wurden auf den Erdboden geschleudert und fast alle beschäftigten Personen, darunter Direktor Wielfel, erlitten schwere Brandverletzungen. Es war schnell ärztliche Hilfe zur Stelle und nach der ersten Hilfeleistung wurden die Verletzten durch Autos in die Hamelner Krankenhäuser gebracht. Im Krankenhaus starben dann leider fünf Schwerverletzte: Aufseher Heinrich Bunnenberg, die Arbeiter Bertram und Wisch aus Wallensen, Muck aus Salzhemmendorf, Reinhardt aus Grünenplan und Monteur Zwing aus Berlin. Im Juni 1932 ereignete sich in der Brikettfabrik ein schwerer Unfall um 15.30 Uhr. Ein Dampfrohr ist geplatzt und der Heizer Schütte aus Ockensen wurde dadurch so verbrüht, sodass leider nur der sofortige Tod festgestellt werden konnte.

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Im Jahre 1925 war das reichste Kohlenfeld ausgebeutet, die benachbarten Felder waren kohlenärmer. Das Ende des zweiten Weltkrieges 1945 brachte dann einen kriegsbedingten Tiefstand der Produktionsleistungen. Durch die heruntergewirtschafteten Betriebseinrichtungen und dem bestehenden Kapitalmangel sah sich damals die Werksleitung geradezu vor die Schicksalsfrage gestellt, den Betrieb still zu legen. Aber mit großer Tatkraft und durch umfangreiche Betriebsverbesserungen gelang es, die Produktion wieder zu steigern. Ab 1947 erforderte die ständig größer werdende Nachfrage nach Braunkohle und die wachsende Verbreiterung eine sich immer steigende Kohlenförderung und erreichte 1955 im Jahr 368.500 Tonnen, die Briketterzeugung betrug 96.310 Tonnen. Die Transportseilbahn der Rohbraunkohle von der Grube zur Brikettfabrik wurde durch eine neue Gleisanlage ersetzt. Dampfende Lokomotiven und rasselnde Loren halten sich bereit, den Abraum an die jeweiligen Kippstellen zu befördern.

Nahezu 300 Arbeiter und Angestellte waren in der Gewerkschaft Humboldt beschäftigt. Vorwiegend in Wallensen und Thüste, aber auch in Ockensen und Weenzen waren die Bergarbeiterfamilien zu Hause, deren Männer und Söhne in der Braunkohlengrube oder in der Brikettfabrik das tägliche Brot für sich und ihrer Angehörigen mit harter Arbeit erwarben. Viele waren auch noch nebenbei in der Landwirtschaft oder in anderen Berufen tätig. Nach dem Krieg sind auch viele Heimatvertriebene ansässig geworden. Im Laufe der Jahre wurden auch Bergmannssiedlungen in Wallensen für die Angehörigen der Gewerkschaft errichtet. Viele von ihnen konnten durch die Mitbegründung und Beteiligung an der „Wohnungsbaugesellschaft niedersächsischer Braunkohlengesellschaft“ in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Haus zu bauen, teils auch mit Landwirtschaft.

Die Brikettfabrik

Die Brikettfabrik

Der Vorstand der Gewerkschaft Humboldt hatte im Frühjahr 1954 einen konzessionierten Vermesser im Bergbau in Clausthal-Zellerfeld beauftragt, ein Gutachten über die voraussichtliche Lebensdauer der Grube anzufertigen. Unterlagen waren ihm bekannt und geläufig, da er die Grube seit Jahren betreute. In seinem Gutachten kam er zu der Erkenntnis, dass die voraussichtliche Lebensdauer ab Juli 1946 bei rund 10 Mio. Tonnen Kohlenvorrat und einer Durchschnittsförderung von 370.000 Tonnen im Jahr noch rund 27 Jahre betragen könnte, d.h. „von Juli 1946 bis Herbst 1973“. Aber sehr deutlich ist von diesem Gutachter auch der Hinweis gemacht worden: „Der Kern des Vorkommens ist abgebaut; die Gewinnung geht jetzt in Randfeldern vor sich und wird auch in Zukunft nur in solchen stattfinden können“. Die Zuverlässigkeit des Gutachtens war aber nicht nur von technischen Fakten abhängig, etwa von der Schätzung der Abbauverluste, die geologisch bedingt recht unterschiedlich ausfallen können, sondern auch von der Durchschnittsförderung, die sich den Absatzmöglichkeiten anpassen muss.

Zeitungsanzeige von 1914

Zeitungsanzeige von 1914

Die Gewerkschaft Humboldt wurde 1960 in „Humboldt Bergbaugesellschaft m.b.H“ umbenannt und 1961 wurde zum 60jährigen Bestehen der „Gewerkschaft Humboldt“ das Bergmannsfest in Wallensen gefeiert. Die Humboldt-Briketts, die mittlerweile „Sonne“ hießen, wurden in ihrer Qualität viel besser als vor Jahren. Doch durch die strukturellen Änderungen (Erdöl, Erdgas) auf dem Energiemarkt und immer mehr wachsenden Absatzschwierigkeiten kam es 1965 zur Kurzarbeit Da eine Änderung dieser unliebsamen Situation in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war, verließen einige Arbeiter den Betrieb und die Humboldt Bergbaugesellschaft war gezwungen, die Kohlegruben und die Brikettfabrik zum 30.06.1966 stillzulegen. Diese Ankündigung war für das Leben der Gemeinden ein tiefeinschneidendes Ereignis. Was sollte nun werden? Etwa 255 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsstelle, unter ihnen auch italienische Gastarbeiter, und mussten sich einen neuen, meist auswärtigen Arbeitsplatz suchen. Auch war das für die Gemeinde Wallensen und Thüste ein finanzieller Verlust, denn die eingehende Gewerbesteuer durch die Bergbaugesellschaft fiel weg. Die Abwicklung zog sich bis zum 31.12.1966 hin. Viele Maschinen, Hallen usw. wurden verkauft, Kohlewagen verschrottet und vieles auch gestohlen. Die Kohlehalden verschwanden nach und nach und einige füllten sich den Keller mit den guten „Sonnebriketts“.

Interview mit einem Zeitzeugen

In einem Interview erzählt der ehemalige Bergmann Herr Sobotta aus der Zeit der Humboldt Gewerkschaft. Herr Sobotta stammt aus Oberschlesien und ist seit dem Kriegsende 1945 im Raum Wallensen ansässig. Er wurde im Jahre 1926 geboren.

Herr Sobotta im Interview

Herr Sobotta im Interview

„Warum sind Sie nach dem Krieg nach Wallensen gekommen?“

„Ich war bei der Marine und konnte nicht mehr in meine Heimat nach Oberschlesien zurück. Dass ich nach Wallensen gekommen bin war eigentlich ein Zufall. Ich habe bei der Ankunft in Wallensen als einzigen Besitz nur meine Marineuniform gehabt. Ich wurden dann in einer Baracke einquartiert. Hier lebten pro Raum 4 Personen. Eine Baracke hatte 6 Räume. Es gab in der Baracke nur eine Küche und einen Waschraum.“

„Warum sind Sie damals in diese Baracke gezogen?“

„Es gab keine andere Möglichkeit. Man konnte nur Arbeit finden, wenn man einen Wohnraum nachweisen konnte und andersherum bekam man nur eine Mietwohnung, wenn man Arbeit nachweisen konnte. Ich habe dann ziemlich schnell bei Humboldt Arbeit gefunden. Die Baracken gehörten übrigens auch zu Humboldt. Während des Krieges haben da Zwangsarbeiter aus ganz Europa gewohnt.“

„Was haben Sie zu Anfang gearbeitet?“

„In den ersten Jahren musste man in der „Kolonne“ arbeiten. Das war die schwerste und am geringsten bezahlte Arbeit bei Humboldt. Die „Kolonne“ war dafür zuständig, die Schienen, auf denen die Bagger fuhren zu verrücken und auch die Schienen der Grubenbahn zu verlegen. Das war größtenteils schwerste Handarbeit. Es wurde in drei Schichten zu 8 Stunden gearbeitet. Die erste Schicht in der Woche begann montags um 6.00 Uhr, die letzte Schicht der Woche endete sonntags um 6.00 Uhr. Wir hatten also nur sonntags nach der Nachtschicht frei. Als Stundenlohn habe ich damals 1,00 RM erhalten. Das war zwar wenig Geld, aber Humboldt hat auch Vorteile gehabt: Jeder Arbeiter bekam 80 Zentner Briketts als Deputat, bei den Lebensmittelmarken erhielten die Humboldt Arbeiter eine Schwerarbeiterzulage. Außerdem gab es noch sogenannte „Bergmannspunkte“ für Bekleidung. Mein erster Anzug nach dem Krieg kostete 10 Zentner Briketts, 30 Mark. Für das Futter musste ich noch 4 Dosen Wurst geben. Die Knöpfe stammten von einem alten Anzug. Wegen des wenigen Geldes mussten die Bergleute nach der Arbeit bei Humboldt noch beim Bauern arbeiten, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Ich bin ganz häufig direkt nach der Nachtschicht, nach der Frühschicht oder vor der Spätschicht noch 4 – 5 Stunden zu einem Bauern zum Arbeiten gegangen. Vom Bauern wurde ich dann mit Naturalien in Form von Korn, Milch oder manchmal auch Fleisch, bezahlt. Als Flüchtling hatte ich es aber anfangs sehr schwer im Dorf Anschluss zu finden. Die Flüchtlinge waren nicht gut angesehen bei den alteingesessenen Dorfbewohnern, weil wir in beschlagnahmten Zimmern untergebracht wurden.“

„Haben Sie irgendwann leichtere Arbeit bekommen?“

„Ja, nach Jahren, die mit einer Ausbildung und Prüfung zum Lokführer verbunden war, habe ich bis ungefähr 1960 eine Dampflok gefahren. Wir hatten insgesamt 13 Lokomotiven im Betrieb. Die Loks konnten jeweils 10 Loren aus der Grube ziehen. Am Ausgang der Grube gab es einen kleinen Rangierbahnhof. Hier wurden Züge mit 20 Loren neu zusammengestellt und von einer Lok zur Fabrik gefahren. Jeder Zug hatte einen Bremser. Der war aber zu meiner Zeit nicht mehr für das Bremsen, sonder für das Stellen der Weichen zuständig. Die Lokomotiven wurden mit Briketts beheizt. Dafür war auch der Bremser zuständig. Die Grube wurde im Laufe der Zeit immer tiefer. Am Ende haben wir auf der 5. Sohle Braunkohle abgebaut. Von der 5. Sohle bis zum Grubenausgang mussten zwei Lokomotiven eine Zug mit 10 Loren ziehen. Auch die Fahrt vom Rangierbahnhof zur 5. Sohle musste mit zwei Maschinen gefahren werden, da eine Lok den Zug nicht bremsen konnte. In den letzten Jahren habe ich einen Bagger bedient. Da gab es ein bisschen mehr Geld. Ich war auch Betriebsratmitglied. Damals gab es keine prozentualen Lohnerhöhungen. Je nach Lohngruppe gab es, nicht wie heute fast jedes Jahr, sondern in größeren Abständen Lohnerhöhungen von 4 – 8 Pfennig je Stunde. Damit waren die Leute aber auch zufrieden.“

Umzugswagen mit Sonne-Brikett

Umzugswagen mit Sonne-Brikett

Abriss der Brikettfabrik

Abriss der Brikettfabrik

„Gab es im Laufe der Zeit auch technische Verbesserungen, die die Arbeit erleichterten?“

„Ja, zum Beispiel wurden Planierraupen angeschafft, um den Abraum besser und einfacher von der Kohle trennen zu können. Vorher war das weitgehend Handarbeit. Auch die Arbeit der „Kolonne“ beim Rücken der Gleise wurde einfacher, da auch dazu die Planierraupen benutzt wurden. Die Bagger wurden nach und nach vom Betrieb auf Schienen auf Raupenketten umgerüstet. Also entfiel auch hier das häufig notwendige Rücken der Gleise. Die neueren Bagger wurden von Dieselmotoren angetrieben, die alten mit Elektromotoren. Das aufwändige Nachführen der Stromkabel war dann auch vorbei.“

„Sie haben damals ein Haus gebaut. Wie war das bei den geringen Löhnen zu schaffen?“

„Die Firma hat mich und alle anderen, die zu der Zeit ein Haus gebaut haben unterstützt. Wie konnten zum Beispiel das benötigte Eisen in Form gebrauchter Eisenbahnschienen sehr günstig bekommen. Wenn Zement benötigt wurde, besorgte Humboldt in einer Art „Sammelbestellung“ gleich einen ganzen Eisenbahnwaggon. Der Zement kostete uns dann nur einen Bruchteil des normalen Preises.“

„Was haben Sie nach der Schließung von Humboldt ab 1966 gearbeitet?“

„Wir bekamen pro Jahr Betriebszugehörigkeit 10 DM Abfindung. Das Arbeitsamt hat sich um neue Stellen bemüht. Viele haben bei den Continental Reifenwerken in Hannover angefangen. Dort habe ich bis zum Rentenalter gearbeitet. Zum Schluss war ich Sicherheitsbeauftragter. Ein Problem war nur der lange Weg zur Arbeit. Man hat uns zu Anfang, ungefähr für ein halbes Jahr kostenlos mit dem Bus gefahren. Danach mussten wir 6 DM pro Woche für das Busfahren bezahlen. Als dann der Direktor wechselte wurde der Busverkehr ganz eingestellt. Wir sind dann in Fahrgemeinschaften zur Arbeit nach Hannover gefahren. Viele haben auch bei dem Fertighaus Hersteller OKAL angefangen, der auf dem alten Betriebsgelände ein neues Werk gebaut hatte.“

„Wo haben Sie lieber gearbeitet, bei Humboldt oder bei den Continental Reifenwerken in Hannover?“

„Ich habe zwar bei der Conti mehr verdient, aber allein der Weg zur Arbeit war doch sehr weit. Außerdem war ich bei der Conti nur die Nummer 1307, bei Humboldt war ich Franz Sobotta. Bei Humboldt waren wir alle eine große Familie, man war Mensch und keine Nummer. Wir hatten zwar eine schwere Arbeit, aber man kannte sich und hat sich ohne lange zu fragen gegenseitig geholfen, sowohl bei der Arbeit, als auch beim Bau der Eigenheime. Es gab auch häufiger mal kleine oder auch etwas größere Geschenke bei Humboldt: eine Tasche, eine Uhr oder andere Dinge. Wir hatten bei Humboldt sogar schon einen Betriebsarzt, der dreimal in der Woche im Betrieb Sprechstunde hatte. Ich habe es damals sehr bedauert, dass Humboldt 1966 geschlossen wurde.“

Das Wirtschaftsleben in Wallensen und Thüste war von 1900-1967 im wesentlichen durch den Braunkohlenabbau geprägt worden. An die Zeit als Bergmannsort erinnert heute das Bergmannsdenkmal, das im Jahr 1968 anlässlich der 900-Jahr-Feier des Ortes Wallensen in einer kleinen Grünanlage aufgestellt wurde. Auch das Sportgelände und die Sporthalle, zwischen Wallensen und Thüste gelegen, erinnert mit dem Namen „Glückauf“ an Bergwerk, Brikettfabrik und die Kumpel aus der Grube.

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